1 September 2023 Zurück zur Übersicht

Energiespeicherlösungen: „Die Zahl der unterschiedlichen Zellchemien wird weiter wachsen“

Frickenhausen bei Stuttgart, 01. September 2023Die Batterieentwicklung schreitet rasend schnell voran, die Energiedichte und Leistungsfähigkeit der Speicher steigen ständig. Allerdings liegt die Wertschöpfung bisher größtenteils in Asien, und auch die Diskussionen über die benötigten Materialien und das Recycling der Akkus werden kontrovers geführt. Dr. Stefan Bergold, General Manager von Farasis Energy Europe, erläutert, wie Batterien für BEVs weiter verbessert werden können und wie man den genannten Herausforderungen begegnet.

MTZ _ Die Batteriekosten machen einen Großteil des Gesamtpreises eines BEVs aus. Wird sich das in absehbarer Zeit ändern?
BERGOLD _ Die Kosten für Batterien werden sich weiter reduzieren, und Elektrofahrzeuge werden kontinuierlich wettbewerbsfähiger gegenüber traditionellen Verbrennungsmotoren. Dieser Trend ist nicht mehr umkehrbar, und das Ende des Verbrennungsmotors ist absehbar – Nischenanwendungen sind eventuell ausgeschlossen. Wie schnell diese Transformation vollzogen wird, ist abhängig von verschiedenen Faktoren, wie Materialentwicklungen für Kathode und Anode, ebenso wie dem Zugang zu und den Kosten für Rohstoffe. Die Fertigungskosten sind ebenso ein Faktor.

Wird die Kapazität von Batterien von BEVs im Durchschnitt sinken, wenn sich Laderaten deutlich erhöhen, oder wie lässt sich anderweitig eine günstigere individuelle Mobilität mit BEVs realisieren?
Die individuelle Mobilität und die damit verbundenen Kosten sind immer von den Bedürfnissen der einzelnen Fahrenden abhängig. Nicht jeder Fahrende hat den Wunsch nach maximaler Reichweite, sondern möchte in regelmäßigen Abständen Pausen einlegen und in dieser Zeit nachladen. Hierfür braucht es keine maximal große Batterie, dafür aber eine hohe Ladeleistung bei weiterhin hoher Energiedichte. Andere bevorzugen maximale Reichweite und möchten zum Beispiel 1000 km am Stück zurücklegen, ohne nachzuladen. In diesem Fall benötigt man eine große Batterie mit höchster Energiedichte. Ebenso gibt es Kurz- und Mittelstrecken-Fahrende, die weder maximale Reichweite noch Schnellladefähigkeit brauchen. Hier reichen eine normale Ladegeschwindigkeit und eine mittelgroße Batterie aus. Wir gehen davon aus, dass die maximale Reichweite gegenüber der Schnellladefähigkeit in Zukunft an Bedeutung verlieren wird. Batterien müssen dann zunehmend so ausgelegt werden, dass sie allen Anforderungen in Bezug auf Leistung und Kosten gerecht werden. Farasis bietet mit der Ultra-High-Power-Erweiterung der Generation-4-Batteriezellen im Übrigen beides: Reichweite wie auch Schnellladung. Mit einer Energiedichte von 330 Wh/kg kann eine Reichweite von rund 1000 km erzielt werden. Kunden, die mehr Wert auf die Schnellladefähigkeit legen, profitieren von einer Batterie mit angepasstem Zelldesign. Dies kann Auswirkungen auf die Energiedichte haben, ermöglicht aber, dass die Batterie im Schnelllademodus in nur 15 Min von 10 auf 80 % aufgeladen werden kann.

Welche Trends sehen Sie bei der Batterieentwicklung?
Wir sehen verschiedene Trends in der Batterieentwicklung. Zum einen wird es unterschiedliche Chemien für verschiedene Anwendungen geben, was damit zusammenhängt, dass einige Rohstoffe knapp und teuer sind. In Europa sind Lithium-Ionen-Akkumulatoren mit einer Kathode aus Nickel, Mangan und Kobalt (NMC) weitverbreitet. Diese Batterien liefern eine hohe Energiedichte und schnelle Laderaten. Dafür beinhalten sie kritische Rohstoffe. Lithium-Eisenphosphat(LFP)-basierte Batterien verzichten auf diese kritischen Rohstoffe, können aber in Sachen Reichweite und Ladeleistung nicht mit NMC-Batterien mithalten. Dafür sind diese Batterien günstiger. Natrium-Ionen-Akkus sind ebenfalls ein Trend und werden bereits in China getestet. Auch Farasis Energy rollt das erste Projekt aus. Statt Lithium wird in der Elektrode Natrium genutzt, ein unkritischer und gut verfügbarer Rohstoff. Die Energiedichte ist – Stand heute – geringer als bei Lithium-Nickel-Akkus oder Lithium-Eisenphosphat-Akkus. Fakt ist, dass die Zahl der unterschiedlichen Zellchemien weiterwachsen wird und künftig mehrere Varianten nebeneinander bestehen werden, allein, um dem hohen Bedarf gerecht werden zu können. Ein weiterer Trend liegt in der Optimierung des Designs, um überflüssiges Material in der Batterie zu reduzieren. Dazu gehören beispielsweise Kabel, Verbindungselemente, Kunststoffteile und weitere. An ihrer Stelle versucht man, mehr energiespeichernde Aktivmaterialien in die Batterie zu bekommen, denn: Je höher die Energiedichte, umso größer die Reichweite. Hier gibt es verschiedene Ansätze wie „Cell-to-Pack“ oder „Cell-to-Chassis“. Bei der „Cell-to-Pack“-Methode wird die grundlegende dreigliedrige durch eine zweigliedrige Struktur ersetzt. Die dreigliedrige Struktur besteht aus Zellen, die in Module eingebaut, welche wiederum in Packs verbaut werden. Bei der zweigliedrigen Struktur kann die Modulebene durch die Integration der Batteriezellen direkt in das Pack-Gehäuse eingesetzt werden. Dieser Ansatz führt zu einer Erhöhung der gravimetrischen als auch der volumetrischen Energiedichte von Batterien und zu Effizienzsteigerungen von bis zu 20 %. Somit wird eine schnellere Markteinführung bei gleichzeitiger Reduzierung der Anzahl der benötigten Komponenten ermöglicht. Farasis Energy ist unter anderem an dem staatlich finanzierten PEAk-Bat-Projekt beteiligt, das darauf abzielt, solche neuartigen Ansätze für die virtuelle Absicherung von Batteriesystemen zu erforschen. Ein dritter Trend besteht in der Steigerung der Spannung, um die Leistung zu erhöhen. Die meisten E-Autos verfügen über eine 400-V-Spannung. Um aber mehr Leistung, schnellere Ladefähigkeiten, höhere Beschleunigung etc. zu erzielen, sind 800 V notwendig. Einige OEMs setzen dies bereits um – dieser Trend muss sich allerdings auch in der breiten Masse wiederfinden. Recycling ist ein Muss, setzt aber voraus, dass es genügend Batterien und Produktionsausschuss zum Recyceln gibt. Dieser Trend wird in der Breite in voraussichtlich zehn Jahren umgesetzt werden, wenn die ersten E-Autos das Ende ihres Lebenszyklus erreicht haben.

In kommenden Batteriegenerationen sollen Silizium- statt Grafitanoden zum Einsatz kommen. Was sind die Vorteile dieses Anodenmaterials?
Reine Siliziumanoden sind noch in weiter Ferne. Es wird aktuell an einer Mischung von Silizium und Grafit gearbeitet. Silizium hat eine höhere spezifische Kapazität und kann daher mehr Energie speichern als Grafit. Die höhere Energiedichte führt zu einem längeren Batterielebenszyklus. Ein weiterer Vorteil von Siliziumanoden ist ihre hohe Leitfähigkeit, die zu einer höheren Effizienz der Batterie führt. Hinzu kommt, dass Silizium relativ günstig und leicht verfügbar ist. Auf der anderen Seite kann Silizium im Laufe der Lade- und Entladezyklen expandieren und kontrahieren und erfordert daher ein angepasstes Batteriedesign. Farasis bietet hierfür geeignete Lösungen.

Sind absehbar weitere neue Kathodenmaterialien verfügbar?
Hier gibt es sicherlich verschiedene Entwicklungen. Farasis Energy hat vor Kurzem einen Auftrag in Höhe von 2,6 Millionen US-Dollar vom United States Advanced Battery Consortium LLC (USABC) zur Entwicklung von Batterietechnologien erhalten, die über Lithium-Ionen hinausgehen. Das Potenzial dieser Technologie ist noch nicht ausgeschöpft und bietet für die nächsten Jahre noch entsprechende Entwicklungsmöglichkeiten – es wird jedoch auch an ein gewisses Limit stoßen. Ziel des Programms ist daher die Entwicklung einer Anode auf Lithium-Metall-Basis mit einer nickelhaltigen Kathode und einer Flüssig-Elektrolyt-Batterietechnologie für EV-Anwendungen.

Gibt es ein physikalisches Limit für die Energiedichte bei Batterien?
Das physikalische Limit für die Energiedichte von Batterien wird durch die spezifischen Eigenschaften der verwendeten Materialien und Technologien bestimmt. Diese können eine hohe Energiedichte aufrechterhalten, ohne instabil zu werden oder Sicherheitsrisiken zu verursachen.

Ihr Projekt einer Batteriefertigung in Deutschland liegt derzeit auf Eis. Wie sind die Aussichten für eine Wiederaufnahme?
Die Entscheidung für einen Produktionsstandort hängt von Kunden und Märkten ab. Aufgrund neuer Partnerschaften und gestiegener Nachfrage arbeiten wir nach wie vor an einer Anpassung unserer Lokalisierungsstrategie für Europa, natürlich in enger Abstimmung mit unseren Kunden. Dabei geht es darum, welche Produkte wir künftig wo produzieren. Wir haben vor einiger Zeit unsere Zusammenarbeit mit Togg kommuniziert. Das daraus entstandene Joint Venture Siro fertigt jetzt schon Module und Packs und wird in Zukunft Batteriezellen produzieren.

Welche Anteile der Wertschöpfung entfallen tatsächlich auf die Zellfertigung in Deutschland? Die Batteriechemie und Einzelelemente werden ja vermutlich weiter importiert?
Die europäische Industrie ist auf den Import bestimmter Rohmaterialien angewiesen, da sie nicht in ausreichender Menge verfügbar sind. Ein großer Teil der Wertschöpfung entfällt auf die Aufbereitung der Rohstoffe und die Zellfertigung selbst, da beides ein komplexer und technologieintensiver Prozess ist. Die Weiterverarbeitung der Zellen zu Modulen und Batterien in Deutschland und Europa ist heute oftmals bereits Standard. Kunden aus allen Bereichen erwarten eine lokale Fertigung ihrer Lösungen, da dies auch im Rahmen der Nachhaltigkeit gefordert wird. Das kann Kosten senken, da zum Beispiel Transportwege und Zölle entfallen und Abhängigkeiten von Fernost reduziert werden.

Wie schätzen Sie das Potenzial und die Realisierungschancen von Feststoffbatterien ein?
Wir sehen noch einiges an Potenzial in der Nutzung der heute verfügbaren Batterietechnologie mit hohem Nickelgehalt. Nichtsdestotrotz hat auch diese Chemie ein Limit, Feststoffbatterien profitieren von der höheren Energiedichte, weil kein flüssiger Elektrolyt genutzt wird. Was sich schlussendlich durchsetzen wird, ist sicherlich abhängig von verschiedenen Faktoren wie zum Beispiel der Applikation, Anforderungen an die Batterie, Verfügbarkeit der Rohstoffe und so weiter.

Das Batterierecycling stellt eine echte Herausforderung dar. Wird es absehbar vollständig recycelbare Batterien geben? Was sind die größten Herausforderungen?
Die Prinzipien zum Recycling sind bekannt, jetzt muss es umgesetzt werden. Dafür braucht es eine ausreichende Masse an gebrauchten Batterien, um Großanlagen auszulasten. Dies ist heute noch nicht gegeben, wird aber voraussichtlich in einigen Jahren gang und gäbe sein. Wir gehen davon aus, dass mehr als 95 % der Batterie wiederverwertet werden kann. Farasis Energy hat mit dem Direct-Recycling-Prozess ebenfalls eine entsprechende Lösung entwickelt. Diese kann schnell und kostengünstig umgesetzt werden und bei Rückgewinnung und Wiederverwertung auf das wertvolle aktive Kathodenmaterial zurückgreifen.

Herr Dr. Bergold, vielen Dank für dieses interessante Interview.
INTERVIEW: Marc Ziegler

Download des Interviews als pdf.

Quelle: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH

Über Farasis Energy
Als ein weltweit führender Hersteller von Lithium-Ionen-Batterien haben wir ein Ziel: die Zukunft der batteriegestützten Energieversorgung als erstklassiger Technologiepartner für die Bereiche Elektrofahrzeuge, Industriemaschinen und Energiespeicherung mitzugestalten. Mit diesem Ziel vor Augen tun wir alles, um Ihnen die bestmögliche Lösung zu bieten. Zu unseren wichtigsten strategischen Partnern gehören namhafte Unternehmen wie Geely, MercedesBenz und Togg.
Weitere Informationen unter www.farasis-energy.com.

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